METALL AUS WEITER FERNE

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Noch ehe Menschen lernten, Eisen aus Erzen zu gewinnen, stellten frühe Kulturen eiserne Kostbarkeiten her. Ihr Material stammte von Meteoriten.

TEXT JAY BENNETT ILLUSTRATIONEN OWEN FREEMAN FOTOS PAOLO VERZONE

EDLE KLINGEN
Handwerker im Alten China schufen eine Waffe namens Ge, eine an einem Schaft befestigte Dolchaxt. Möglicherweise nutzten Fürsten solche aus Meteoritenmetall gefertigten Waffen zu zeremoniellen Zwecken. Wir wissen nicht, ob die Chinesen damals den außerirdischen Ursprung des Metalls kannten. Doch sie waren bereits genaue Beobachter von Himmelserscheinungen.

IN EINEM 4400 JAHRE ALTEN KÖNIGSGRAB INÄGYPTEN MUSTEREICH DIEWÄNDE. ICH SUCHENACH EINEM BESONDEREN SYMBOL.

Geier und Eulen, Augen, Füße, Schlangen und Halbkreise, die zu einem der ältesten Schriftsysteme der Welt gehören, sind in sauberen Spalten in den Kalkstein geritzt. In manchen Vertiefungen sind noch Spuren des leuchtend blauen Pigments erkennbar, das die Alten Ägypter hoch schätzten. Das Symbol, das ich finden möchte, gleicht einer Schale. Knapp unter ihrem Rand liegt eine horizontale Linie, als wäre sie mit Wasser gefüllt.

Victoria Almansa-Villatoro überfliegt die Hieroglyphen mit zwei ausgestreckten Fingern. Mit ihrer weißen Baseballkappe, dem magentafarbenen Rucksack und Nike-Sneakers mit pinkfarbenem Swoosh sticht sie in dieser uralten, schummrig beleuchteten Umgebung hervor – eine Verkörperung der Moderne. Die Ägyptologin und Expertin für Texte aus dem Alten Reich zählt zur renommierten Harvard Society of Fellows. Sie begleitet mich in die Gräber von Sakkara, die etwa 25 Kilometer südlich von Kairo liegen.

Wir befinden uns in der Grabstätte des Pharao Unas, letzter Herrscher der 5. Dynastie aus dem 24. Jahrhundert v. Chr. Bei den Schriftpassagen an den Wänden handelt es sich um Zaubersprüche, die den verstorbenen König durch die Gefahren des Jenseits leiten sollen. Es sind die ältesten Schriften dieser Art, bekannt als „Pyramidentexte“.

Neben dem Durchgang zum Sarkophag des Unas hält Almansa-Villatoro inne. „Da haben wir es“, flüstert sie aufgeregt und deutet auf ein u-förmiges Symbol. Ihre Forschungen legen nahe, dass das Symbol als Hinweis auf Eisen verwendet wurde – bemerkenswert für die Ägypter jener Zeit. Es sollte noch etwa tausend Jahre dauern, bis die Menschen lernten, terrestrisches Eisen zuverlässig zu schmelzen. Allerdings gibt es eine weitere Quelle für das Metall: Meteoriten.

In den letzten zehn Jahren haben Untersuchungen von Artefakten bestätigt, dass manche Zivilisationen Eisen aus Meteoriten verarbeiteten, lange bevor geschmolzenes Eisen zu

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