Stille Zeugen

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GESCHICHTE

Ein neues Buch lässt Kriegskinder zu Wort kommen. Ihre Alltagsgegenstände erinnern an schwere Zeiten

ZWEISAMKEIT Marie-Luise Marjan 1954 mit der Adoptivmutter. Erst mit 15 erfuhr sie, dass sie als Baby in einem Waisenhaus abgegeben worden war

Eine alte Kaffeemühle, eine Zeichnung, ein Kochtopf: In A lltagsgegenständen ist der Zweite Weltk rieg manchmal noch bis heute präsent. Sie erinnern an Zeiten voller Angst und Leid, verbinden Menschen, die damals noch Kinder waren, mit den Eltern und Großeltern. Ein neues Buch stellt solche Erinnerungsstücke vor und lässt ihre Besitzer zu Wort kommen (siehe Buchtipp). Es sind berührende Geschichten, die beweisen, welche Spuren ein Krieg über Generat ionen hinweg hinterlässt.

Vertraute in der Not

„Diese Kaffeemühle erinnert mich daran, wie ich als Kind mit meiner Mutter im Wald Bucheckern sammeln ging“, erzählt Schauspielerin Marie-Luise Marjan (83). „Wald, das ist der Geruch meiner Kindheit. Die Bucheckern hat meine Mutter in der Kaffeemühle gemahlen, aus dem Mehl haben wir Plätzchen gebacken.“ Die Original-Kaffeemühle ging irgendwann verloren, doch die jetzige vom Flohmarkt sieht fast genauso aus. „Warum sie mir so viel bedeutet? Ich verbinde mit ihr die Zweisamkeit mit meiner Mutter, das Vertraute – aber auch die Not während des Kriegs. Es war meine Mutter, die dafür gesorgt hat, dass die Familie ernährt wurde.“ Ihre Adoptiveltern lebten damals in Hattingen an der Ruhr. Die Stadt wurde im Krieg stark bombardiert, das Heulen der Sirenen gehört zu Marie-Luise Marjans frühesten Kindheitserinnerungen. „Über das, was wir gesehen haben, wurde nicht weiter gesprochen. Nicht in dem Moment und auch später nicht. Das war Alltag. Es war eine andere Zeit“, erinnert sich die ehemalige „Lindenstraße“-Schauspielerin.

Auf der Flucht nach Bayern

„Dieses Töpfchen begleitet mich seit meiner Kindheit. Ich liebe es“, verrät Hanna Schygulla (80). „Als ich klein war, hat meine Mutter darin immer Grießbrei für mich gekocht. Heute steht es in meiner Pariser Wohnung auf dem Herd, ich benutze es immer noch. Für mich ist es eine Reliquie.“ Kurz nach Kriegsende kam das Töpfchen in ihre Familie. Die spätere Schauspielerin und Sängerin war allein mit ihrer Mutter aus Oberschlesien nach Bayern geflüchtet. „Wir waren nicht willkommen, als Flüchtlinge haben wir viel Ablehnung erlebt. Flüchtlingskind, das war wie ein Stempel“, beklagt sie. „Wir bekamen damals die sogenannten Bezugsscheine, meine Mutter musste sie in München beim Ausgleichsamt abholen. Einmal kam sie mit diesem Töpfchen zurück, eine Frau hatte es ihr geschenkt. Sie sagte zu meiner Mutter, auf Bayerisch: ‚Dass euch schön warm wird bei uns!‘ Sei

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