Scheue Schönheiten

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NATUR

Jeder glaubt sie zu kennen, doch die Rehe unserer Heimat stecken noch voller Überraschungen

GUT GEWACHSEN Nur die männlichen Rehe tragen ein Geweih. Jede Stange ist etwa 15 bis 20 Zentimeter lang

Was bellt denn da? Versteckt sich am Waldrand etwa ein Hund? Wer neugierig weitergeht, erlebt eine Überraschung: Zw ischen den dichten Sträuchern springt ein Reh her vor! „Der Warnruf der Rehe klingt tatsächlich so ähnlich wie das Bellen eines Hundes“, erklärt Dr. Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier Stiftung. „Damit warnen sie Artgenossen vor Gefahren.“ In der Fachsprache heißt das: Die Rehe „schrecken“. Aus mehr als 300 Metern Entfernung können sie mit ihrer feinen Nase einen Menschen wittern. Eine Doku (siehe TV-Tipp Seite 10) folgt den Spuren der nur scheinbar so vertrauten Tiere durch die Jahreszeiten. Denn Bellen ist nicht das einzig Verblüffende bei unseren scheuen Nachbarn.

Mythos „Bambi“

Nein, das Reh ist nicht die Frau vom Hirsch. Dieser Irrtum hält sich hartnäckig, seit „Bambi“ 1942 im gleichnamigen Disney-Film als Rehkitz auftaucht. In Wahrheit ist es ein Hirschkalb. Die Arten unterscheiden sich deutlich (siehe Übersicht Seite 10). Während Rothirsche etwa die meiste Zeit des Jahres in Rudeln leben, werden Rehe nur in kälteren Zeiten gesellig. „Das sind quasi Notgemeinschaften, um besser durch den Winter zu kommen“, erzählt Kinser. „Wenn mehrere Tiere zusammenstehen, muss nur eines nach Gefahr Ausschau halten. Das spart Energie.“ Auch wenn die Luft jetzt schon nach Frühling riecht, bleiben die Rehe weiter in solchen k leinen Gruppen, den sogenannten Sprüngen, zusammen. Gar keine Frühlingsgefühle? Die er wachen meist erst Mitte April. Dann werden die Böcke w ieder zu Einzelkämpfern, die ihr Rev ier mark ieren und erbittert verteidigen. Erst imponieren und drohen, dann geht’s bei gleich starken Rivalen zur Sache. Das Geweih dient zwar als Waffe, Verletzungen sind aber selten.

Im Mai hoppeln junge Häschen über die Wiesen, Lämmer blöken auf den Deichen. Und die Rehböcke? Haben weiterhin nur Kampf im Kopf. Noch ver w irrender: Zur selben Zeit bringen die Weibchen bereits Nachw uchs zur Welt. Gezeugt im Juli oder August des Vorjahres! Mehr als neun Monate sind seitdem vergangen.

GUT AUFGEPASST Anders als der gelassene Rothirsch ergreifen Rehe bei Störungen mit wenigen schnellen Sprüngen die Flucht
GUT BEHÜTET In der ersten Zeit nach der Geburt des Nachwuchses scheuen die Ricken die Nähe von Artgenossinnen
GUT VERSTECKT Laufen können die Kitze bereits, doch sie bleiben trotzdem rund vier Wochen lang in sicherer Deckung

1.305.758 Rehe

wurden in der Jagdsaison 2022/2023 erlegt

GUT ERZOGEN Im Alter von etwa vier Wochen begleiten die Kitze ihre Mutter bei Ausflügen. Von ihr lernen sie auch, was schmeckt
GUT GEKÄMPFT Vor