Was will ich eigentlich?

10 min lesen

Unsere Autorin hat das Gefühl: Alle haben Ziele – nur sie selbst nicht. Aber stimmt das überhaupt? Und braucht wirklich jeder einen Plan fürs Leben? Eine Suche nach Antworten

Alles so schön bunt hier: Ein Vision Board kann der erste Schritt zu mehr Klarheit im Leben sein. Allerdings muss man es zu deuten wissen

Da sitze ich wie ein Grundschulkind am Wohnzimmertisch, vor mir ein Berg bunter Bilder, die ich mit meiner Schere ausschnipple. Abbildungen von blauem Himmel, Meer, Blumen, schwimmenden oder surfenden Frauen. Noch weiß ich nicht, was das am Ende ergeben soll. Im besten Fall Klarheit über meine Ziele, die ich dann – so meine Wunschvorstellung – mit Elan und Hartnäckigkeit verfolge. Oder?

Das ist genau das Problem: Ich weiß gar nicht, ob ich noch Ziele brauche im Leben. Oder ob das nur etwas ist, was mir die Selbstoptimierungsindustrie einredet: Manifestiere deine Träume! Jeder spricht davon, auf TikTok hat der Hashtag „manifesting“ Millionen von Aufrufen. Dazu stoße ich bei gefühlt jedem zweiten Interview oder Gespräch mit einem erfolgreichen Menschen auf die Kernaussage: „Verfolge hartnäckig deine Ziele, lass dich nicht abbringen!“ Ich denke immer öfter: Welche Ziele? Habe ich welche? Wenn ja, wo sind die? Mir fällt dann immer eine Szene aus einem alten französischen Film namens der „Der Saustall“ ein, bei der Philippe Noiret auf die Frage, was er noch vorhat im Leben, antwortet: „Nichts! Wie alle, wenn man sie lässt!“

Mein Zwiespalt hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass ich mit Anfang 50 an einem Punkt in meinem Leben angekommen bin, an dem ich mich nicht ständig frage: „What was I made for?“ (Wofür wurde ich geschaffen?) – wie Billie Eilish in ihrem berühmten Song aus dem Film „Barbie“. Ich habe einiges erreicht, einen Beruf, den ich liebe, Mann, Kind, ein Heim, da kann ich überall einen Haken dran machen. Welche großen Ziele soll ich mir da noch setzen? Und heißt es nicht auch, frei nach Philosoph Blaise Pascal: „Wenn du Gott lachen hören willst, verrate ihm deine Pläne“? Wie gern würde ich einfach eine Anzeige aufgeben: Ziel verzweifelt gesucht! Aber ich ahne, dass ich selbst auf die Suche gehen muss und beschließe, verschiedene „Zielfahndungs“-Methoden auszuprobieren, um meine Reise ins Ich zu starten.

Dieser Artikel ist erschienen in...