»BRAU-CHEN WIR EIN RECHT AUF ABTREI-BUNG?

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ZEITGESPRÄCH

WAS WIR UNS GERADE FRAGEN:

Im März nahm Frankreich als erstes Land der Welt das Recht auf Abtreibung in die Verfassung auf. In Deutschland wird seit 50 Jahren heftig über eine mögliche Straffreiheit debattiert. Warum das nötig ist, erklären die gynäkologische Chefärztin KATHARINA LÜDEMANN und ihre Nichte, die Autorin LAURA DORNHEIM (links)

Frau Dornheim, Sie haben ein Buch über das Thema Abtreibung geschrieben. Frau Lüdemann, Sie sind die Tante von Frau Dornheim. Als Chefärztin in einer Frauenklinik führen Sie Schwangerschaftsabbrüche durch. Finden alle in Ihrer Familie gut, was Sie tun?

DORNHEIM: Von meiner Mutter und meinen Tanten bekomme ich sehr viel Zuspruch für meinen Einsatz für ein grundsätzliches Recht auf Abtreibung. Mein Großvater, der Vater meiner Tante, sieht das anders.

LÜDEMANN: Wir kommen aus einer sehr streng katholischen, bayerischen Familie und ich führe mit meinen alten Eltern keine Diskussionen zu hochemotionalen Themen mehr. In der Zeit, die mir mit ihnen bleibt, will ich mich gut mit ihnen vertragen und schneide das Thema nicht an – obwohl ich mich nach wie vor dafür starkmache.

Warum findet man auf Ihrer Klinikwebsite keine Infos darüber, ob Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden?

LÜDEMANN: Viele Kliniken führen aus Angst vor Anfeindungen keine Schwangerschaftsabbrüche durch. Und tatsächlich werden unsere Mitarbeiterinnen angerufen und als Mörderinnen beschimpft. Auf unserer Website gibt es keine Informationen, weil ich meine Mitarbeiterinnen schützen möchte. In meinem multikulturellen Team gibt es übrigens Leute, die aus religiöser oder persönlicher Überzeugung gar keine Abbrüche machen wollen und auch nicht müssen.

Eigentlich kein Wunder. Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland offiziell noch immer eine Straftat – seit 1871.

DORNHEIM: Ja, nach wie vor sind die Eingriffe formal kriminalisiert. Der Paragraf 218 legt fest, dass eine Abtreibung in Deutschland strafbar ist. Straffrei bleibt nur, wer ein verpflichtendes Beratungsgespräch mit anschließender Bedenkzeit von drei Tagen absolviert und dann den Abbruch (nicht später als 12 Wochen nach der Empfängnis) von einer Ärztin oder einem Arzt vornehmen lässt. Dieses Prozedere ist entwürdigend. Das lässt sich mit dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen nicht vereinbaren.

Da waren wir vor 50 Jahren fast schon mal weiter. Da beschloss der Bundestag nach einer Marathondebatte bis weit nach Mitternacht bedingungslose Straffreiheit bei einem Abbruch bis zur zwölften Schwangerschaftswoche.

DORNHEIM: Stimmt, aber das Bundesverfassungsgericht hat das Gesetz dann ein Jahr später wieder kassiert. 1992 gab es noch mal einen Versuch, der Bundestag beschloss abermals nach endlosen Debatten die sogenannte Fristenl

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