Plötzlich Prinzessin

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Im Tüllkleid auf ei nem prächti gen Ball zum Tanz – für unsere Autorin war das ein Kindheitstraum. Wie ist das, wen n man sich die Wü nsche von damals als er wachsene Frau erfül len kann?Von ei ner Nacht im Walzertakt in Wien

Weißer Reigen: Traditionell eröffnen die Debütantinnen und Debütanten den Ball mit einem Walzer. Inzwischen sieht man auch gleichgeschlechtliche Paare
Fotos: Gabriel Hyden
Walzer-Crashkurs in einer Wiener Tanzschule – die perfekte Vorbereitung für die Ballnacht?
Wie ein Kind im Bonbonladen: Unsere Autorin bei der Auswahl der Abendrobe (links) Zur „Prinzessinnenreife“ gehört natürlich ein professionelles Styling

EEs ist Mitternacht, zeigt die große Uhr an der Saalwand. Zwölf Uhr nachts, denke ich, war da nicht etwas? Verwandelt sich da nicht Cinderella zurück in Aschenputtel?

Ich erwarte fast, dass mir das Gleiche passiert. Dass mein Ballkleid und der Saal und der ganze Glamour im Nichts verschwinden, ich mich vielleicht sogar in einen Kürbis zurückverwandle, wie Cinderellas Kutsche. Zu unerwartet ist meine Transformation.

Nichts passiert. Ich richte meinen Tüllrock zurecht, auf dem schon wieder jemand steht, und stelle mich mit den vielen anderen zur Quadrille auf. Vor einem Tag wusste ich noch nicht einmal, was das ist (ein Formationstanz, bei dem sich vier Paare gegenüberstehen und sich dann immer wieder kreuzen). Das Orchester setzt ein, Röcke schwingen über das Parkett, Gelächter, Chaos, alles dreht sich, und das unter einem der prächtigsten Kronleuchter, die ich je gesehen habe. Vielleicht haben hier schon Könige und Kaiser und Kaiserin Sisi von Österreich höchstpersönlich ihre Runden gekreiselt. Kann mich mal bitte jemand kneifen?

Wie fast jedes kleine Mädchen wollte ich als Kind unbedingt mal Prinzessin werden. Es gibt ein berühmtes Faschingsfoto von mir, auf dem ich schrecklich heule, weil ich wegen des Februarfrostes einen doofen Wintermantel über meinem rosafarbenen Prinzessinnenkleid tragen musste. Ich liebte „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, ich träumte davon, eines Tages so eine prachtvolle Reifrock-Robe zu tragen wie Romy Schneider in „Sissi“. Und dass ein Prinz vor mir steht und mich zum Tanz bittet, wie Fürst Andrej Audrey Hepburn in „Krieg und Frieden“. Natürlich geht die große Prinzessinnenphase irgendwann vorbei. Das Leben ist schließlich kein Hofball, und Kaiserin Sisi war, beschäftigt man sich mal näher mit ihr, eine zutiefst unglückliche Frau. Aber sollte man deswegen aufhören zu träumen?

Jedesmal, wenn ich einen Jane-Austen-Fil m oder Kostümkitsch wie Bridgerton sehe, stellte ich mich selbst in so einem Kleid vor. Aber ist dieser Wunsch nicht ab einem gewissen Alter lächerlic

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