»Was haben Sie über die Psyche der Menschen gelernt?«

14 min lesen

Psychologinnen und Psychologen helfen Menschen dabei, ein zufriedenes, erfülltes Leben zu führen. Was erfahren sie dabei über die menschliche Psyche? Wir haben vier renommierte Vertreter ihres Fachs gefragt

LUKAS KLASCHINSKI

FOTO: KATHARINA PASEMANN

Der studierte Psychologe überlebte einen schweren Kiteunfall – und erkannte, dass es tatsächlich stimmt: Erfolg im Job, das eigene Haus, der Traumurlaub – alles ohne Belang. Wichtig sind die Beziehungen zu anderen Menschen und uns selbst. Mit Kollegin Stefanie Stahl moderiert Klaschinski den Podcast „So bin ich eben“ und den Youtube-Kanal „Psycho- Couch“. Er ist Autor des Bestsellers „Fühl dich ganz. Was wir gewinnen, wenn wir unsere Emotionen verstehen und zulassen (Droemer, 18 Euro).

Emotionen immer runterschlucken? Sich unverletzlich geben? Keine gute Idee, findet Lukas Klaschinski. Nur wer zu seinen Gefühlen steht, kommt sich selbst näher und weiß, was ihm guttut.

Herr Klaschinski, was sagt Ihre Erfahrung: Wie formt sich unsere Persönlichkeit?

Ich finde es immer wieder unglaublich, welchen immensen Einfluss unsere Lebenserfahrungen auf unsere Wahrnehmung haben. Wir sehen alles durch die Brille der Vergangenheit. Jeder betrachtet die Realität individuell aus seiner Perspektive. Uns Menschen zeichnet aber aus, dass wir ein Bewusstsein dafür haben oder entwickeln können. Wir können unsere Gedanken und Gefühle beobachten und beeinflussen.

Was ist das große Thema?

Im Kern geht es allen Menschen darum, geliebt und angenommen zu werden. Wenn Menschen das in ihrer Kindheit und als Erwachsene nicht hinreichend erfahren, dann versuchen sie, Bewunderung oder Beachtung zu ernten. Gelingt auch das nicht, dann möchten sie dennoch irgendeine Emotion hervorrufen. Das kann sogar dazu führen, dass sie Streit, Verachtung oder Hass provozieren. Wenn wir den anderen wütend oder traurig machen, fühlen wir uns wenigstens nicht abgeschrieben. Wir wollen immer ein Gefühl von anderen Menschen bekommen.

Wie steht es mit unseren eigenen Gefühlen?

Es klingt wie ein Geschlechterklischee, aber häufig werden Mädchen dazu erzogen, keine Wut zu zeigen und zu fühlen. Jungen bekommen oft vermittelt, dass Trauer, Angst oder Scham nicht angemessen sind.

Was hat das für Konsequenzen?

Wir stehen dann als Erwachsene vor der Aufgabe, unsere Gefühle wieder neu lernen zu dürfen. Zwei Beispiele: Viele Männer sind so ein bisschen gefühlsdumpf. Bei denen gibt es die Fußballemotionen, Wut und Freude, aber die ganze Verletzlichkeitspalette mit Scham, Angst, Traurigkeit ist irgendwie im Keller verräumt. Bei Frauen erlebe ich häufiger, dass sie sich stark an den Gefühlen anderer ausrichten und diese sehr intensiv empfind

Dieser Artikel ist erschienen in...