JAPAN

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Die Kirschblüte, der Fuji, die Megacity Tokio: Schon lange hatte unsere Autorin Okka Rohd den Traum, das Land der aufgehenden Sonne zu bereisen. Nun hat sie ihn sich erfüllt und träumt mehr denn je

KOYASAN

Okka erkundet das Land gemeinsam mit einer internationalen Reisegruppe
Noch ungläubig, in Japan zu sein: Unsere Autorin Okka Rohd
Übernachtet wird im „Sekishoin“-Tempel auf dem Berg Koya
Die Mönche bieten auch Nachtwanderungen über den Friedhof an – ein beeindruckendes Erlebnis
Fünf Geschmäcker, fünf Farben, fünf Zubereitungsarten: das vegetarische Menü der Mönche
FOTOS: MATTEO COLOMBO/GETTY IMAGES (1)

ZUR BEGRÜSSUNG BINDET uns ein Mönch ein buntes Armband ums linke Handgelenk. Es soll uns vor Bösem beschützen. Jetzt bin ich also wirklich hier. Aber noch nicht ganz da, weil alles mir so unwirklich vorkommt. Vorgestern habe ich den Koffer für meine langersehnte Japan-Reise gepackt, gestern Nacht bin ich in Osaka gelandet. Nun sitze ich mit 14 Reisenden aus Amerika, Kanada und Südafrika im Gebetsraum des Tempels, in dem wir übernachten werden. Die kleine Bergstadt Kōyasan ist die heiligste Stätte der Shingon- Schule des Buddhismus. Etwa 3000 Menschen leben hier, ein Drittel davon Mönche. In 52 der 117 Tempel kann man übernachten. Wir schlafen im „Seki-shoin“. Vorher besichtigen wir aber noch den berühmten Friedhof Oku-no-in. Mit seinen etwa 200 000 Gräbern ist er nicht nur der größte Japans. Hier befindet sich auch die Krypta von Kōbō Daishi, dem Begründer des Shingon-Glaubens. Erst staune ich, wie mystisch dieser Ort mit seinen moosbewachsenen Steinen ist. Dann staune ich über die Gräber, mit denen Unternehmen an ihre Verstorbenen erinnern. Auf der Grabstätte einer Raketenfirma steht eine große Rakete. Ein Insektenschutzmittel-Hersteller gedenkt der Termiten, deren Leben er beendet hat.

Abends sitzen wir uns auf Tatami-Matten in zwei Reihen an kleinen Tischchen gegenüber und essen das vegetarische Menü, das die Mönche für uns zubereitet haben. Serviert werden fünf Geschmäcker in fünf Zubereitungsarten und fünf Farben. Sesamtofu, Bohnen, Reis, Orangenschnitze. Das Gemüse wurde erst heute Morgen geerntet. Unsere Reiseleiterin Kyoko Ito bringt uns bei, wie man auf Japanisch lecker sagt: oishii. An diesem Abend sagen wir es sehr oft.

Als wir die Mönche am nächsten Tag zu ihrem Morgengebet begleiten, breitet sich eine tröstliche Dankbarkeit in mir aus – für die Welt, die solche Orte hervorbringt und für die Gastfreundschaft, die wir erleben dürfen. Eigentlich bin ich kein besonders spiritueller Mensch, aber dieser Ort geht tief in mein Herz. Ich verstehe nicht, was die Mönche singen, und verstehe es doch. Dann treten wir nacheinander vor, um die Holzstäbe zu verbrennen, auf die wir bei unserer Ankunft einen Wunsch geschrieben haben. Mit dem Rauch soll er zum Himmel

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