Reif für die Insel

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GROSSBRITANNIEN

Raus aus der wirtschaftlichen Talsohle, günstige Bewertungen, breiter Branchenmix – eine Vielzahl von Gründen spricht dafür, an der Börse London jetzt auf Einkaufstour zu gehen

CITY OF LONDON: Der Finanzplatz ist auch nach dem Brexit eine globale Drehscheibe der Bankenwelt
Foto: Adobe Stock

Rolls-Royce hat in den vergangenen zwölf Monaten an der Börse 180 Prozent zugelegt. Kurstreiber sind aber nicht die Luxusautos, die längst unter das Dach von BMW geschlüpft sind. Rolls-Royce steht für Triebwerke und Komponenten für die zivile und militärische Luftfahrt – und die verkaufen sich in Zeiten steigender Rüstungsausgaben infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine besonders gut.

Brexit-Schatten. Im FTSE 100, dem Leitindex der Börse London, ist Rolls-Royce damit eine absolute Ausnahme. Britische Bluechips haben zuletzt deutlich schlechter performt als ihre Pendants auf dem Kontinent und in den USA (s. Grafik S. 47). 27 Prozent der institutionellen Anleger weltweit, so ergab eine aktuelle Studie der Bank of America, haben britische Aktien in ihren Portfolios untergewichtet.

Der Branchenmix ist ein wesentlicher Faktor. Rohstoffkonzerne, Banken, Öl- und Energiekonzerne sind klar übergewichtet. In Zeiten, in denen Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz die Finanzmärkte begeistern, sind diese defensiven Branchen für Anleger alles andere als aufregend. Negativ auf die Attraktivität britischer Aktien wirkt sich auch die Wachstumsschwäche der britischen Wirtschaft aus, die 2023 in die Rezession rutschte.

Ein weiterer Grund, warum britische Aktien in vielen Anlegerdepots unterrepräsentiert sind, ist psychologischer Natur. Michael Browne, Anlagestratege bei der Investmentgesellschaft Martin Currie, die zum Vermögensverwalter Franklin Templeton gehört, war geradezu geschockt vom Feedback, das er im Oktober 2023 auf einer Investorenkonferenz in Zürich bekam: „Zwei Drittel der Teilnehmer ant-worteten mir, dass sie Großbritannien aufgrund der wirtschaftlichen Nachwirkungen des Brexits weiterhin als uninvestierbar betrachten. Das ist eigentlich unverständlich, denn Anleger sollten bei ihren Entscheidungen nach vorn und nicht in den Rückspiegel blicken.“

Erholung in Sicht. Dabei hellt sich der konjunkturelle Horizont in Großbritannien auf. Für 2024 erwartet die OECD ein Wirtschaftswachstum von 0,7 Prozent. Das ist mehr als doppelt so viel wie in Deutschland. Und auch die Inflation ist zuletzt auf 3,4 Prozent zurückgegangen. Noch im August 2023 hatte die Bank of England den Leitzins auf 5,25 Prozent und damit den höchsten Wert seit 15 Jahren angehoben. Erste Zinssenkungen sind bis zur Jahresmitte zu erwarten. Davon werden der Immobilienmarkt und die Bauindustrie unmittelbar profitieren.

Positiv könnten sich auch die Parlamentswahlen auswirken, die bis Januar 2025 stattfinde

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