»Werden wir bald den Krebs besiegen?«

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ZEITGESPRÄCH

WA S WIR UNS GERADE FR AGEN:

Bei der Krebstherapie hat die Medizin große Fortschritte gemacht. Doch die Präventionsexpertin DR. K ATRIN MICHELS ist sich sicher: jeder zweite Krebsfall ließe sich vermeiden, wenn wir gesünder leben würden

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Frau Professor Michels, Sie erforschen, was man tun muss, um gar nicht erst an Krebs zu erkranken. Befolgen Sie Ihre eigenen Ratschläge?

Es ist schwierig, alles richtig zu machen. Aber ich lebe relativ gesund. Bin Vegetarierin und sehr schlank, ich rauche nicht, trinke nur ab und an ein Glas Weißwein und nehme immer die Treppen. Nur bei Schokolade werde ich manchmal schwach. Der Zucker begünstigt Diabetes und das Fett Herz-Kreislauf-Krankheiten, daher am besten nur in kleinen Mengen essen.

Trotzdem schützt ein vorbildlicher Lebensstil nicht immer vor Krebs. Wie kommt das?

Bei etwa 40 Prozent der Krebspatienten wissen wir noch nicht, warum es sie erwischt hat. Es könnte an genetischen Veränderungen liegen, die wir noch nicht kennen. Auch Klimawandel, Umweltverschmutzung, Schadstoffe in Kleidung und Baumaterialien mögen das Wachstum von Tumoren begünstigen.

Sie interessieren sich vor allem für die Krebsfälle, die vermeidbar wären.

Ja! Mindestens die Hälfte aller Krebserkrankungen könnten durch regelmäßige Vorsorge und gesunden Lebensstil verhindert werden. Leider verschlechtern sich unsere Lebensgewohnheiten derzeit eher. Klar, es gibt heute mehr Veganer, Gemüse-Smoothies sind hip und die Leute gehen zum Yoga. Aber unterm Strich lebt immer noch nur ein Bruchteil der Bevölkerung gesund. Der große Rest isst weiter viel zu viel Fleisch, Fast Food und Frittiertes. Viele junge Leute Anfang 20 trinken zu viel Alkohol, rauchen und vapen wieder vermehrt. Übergewicht und Diabetes breiten sich sogar pandemisch aus.

Lässt sich damit erklären, dass auch Darmkrebs häufiger schon bei Jüngeren auftritt?

Ich bin mir sicher, dass das Verhalten in der Kindheit und Jugend eine Rolle spielt, ob man an Krebs erkrankt oder nicht. Mindestens 80 Prozent der Teenager hierzulande bewegen sich zu wenig. Sie ernähren sich ungesund mit zu vielen Softdrinks und Fertiggerichten – und nehmen zu. Alles Risikofaktoren für Darmkrebs. Nehmen wir Japan. Früher war Darmkrebs dort kein Thema. Mittlerweile haben auch sie ein Riesenproblem damit. Woran liegt das? Noch vor ein paar Jahrzehnten aß man in Japan vor allem Tofu, Gemüse und Fisch. Seitdem dort Fast-Food-Ketten eröffnet haben, essen auch die Japaner viel rotes Fleisch.

Sollte man beim Thema Krebs viel mehr auch die jungen Menschen im Blick haben?

Unbedingt. Krebserkrankungen dauern Jahre bis Jahrzehnte, bis sie sich ausbilden. Auch bei Brustkrebs ist die Jugend eine sensible Phase: Wenn Mädchen um die zwölf Jahre alt sind, fängt ih

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